Gefordert im doppelten Sinne

04.05.2020 08:12

Gefordert im doppelten Sinne

Für Yllka Kadriu vom Grasshopper Club Zürich und dem Schweizer U-19-Frauen-Nationalteam verläuft dieses Jahr gleich in doppelter Hinsicht unter schwierigen Umständen: neben der Corona-Krise, die ihr gesamtes fussballerisches Umfeld betrifft, erholt sie sich von einem früh in diesem Jahr erlittenen Kreuzbandriss.

Das Jahr 2020 hatte vielversprechende Perspektiven für Yllka (sprich: Ülka) Kadriu, die 17-jährige Fussballerin des Grasshopper Club Zürich. Mit der U-19 hatte sie im Herbst die erste Runde in der Qualifikation zur Europameisterschaft diesen Sommer in Georgien erfolgreich überstanden, in Portugal wurden schon im Januar mit zwei Testspielen die ersten Schritte eines hoffentlich erfolgreichen Jahres für das Schweizer Nachwuchs-Frauen-Nationalteam getan, Anfang März war ein Vierländerturnier in Spanien geplant.

Doch dann kam Unglück Nummer 1: in einem Training mit GC blieb Yllka Kadriu mit dem rechten Knie hängen, es schmerzte und die Diagnose war eine unerfreuliche: Kreuzbandriss, die erste grosse Verletzung in der noch jungen Karriere der talentierten Fussballerin. Am 11. März wurde sie im Paracelsus-Spital von Richterswil erfolgreich operiert. „Die Operation verlief gut“, sagt Kadriu, doch als sie das Spital verliess, da kam die nächste negative Nachricht. Aufgrund der Corona-Krise wurde der Spielbetrieb im gesamten Schweizer Fussball unterbrochen – seit dem 30. April steht fest, dass die Saison auch in der Nationalliga A der Frauen nicht zu Ende gespielt werden kann. Auch die Elite-Runde der EM-Qualifikation der U-19-Frauen in Schweden und die Endrunde im Sommer in Georgien wurden von der UEFA bereits abgesagt.

In der Rehabilitation

„Glück im Unglück“ nennt Yllka Kadriu die Parallelität der beiden Ereignisse. „Hätte ich meinen Teamkolleginnen in diesem Frühjahr beim Fussballspielen zusehen müssen, wäre es sicherlich schwieriger gewesen mit meiner Verletzung. Aber auch so ist es ohne Fussball einfach langweilig“, findet sie. Der Kontakt mit den Teamkolleginnen wurde weniger, auch wenn er natürlich nie ganz abflachte. Doch während die gesunden Spielerinnen von GC von ihren Trainern Programme für die Fitness und Technik zu Hause erhielten, folgte Yllka Kadriu ihrem eigenen Regenerationsprogramm. Immerhin war dieses durch den „Lockdown“ nicht beeinträchtigt, die Therapie zum Wiederaufbau bei ihrem ehemaligen U-19-Trainer Sjoerd Hondema von der Physiotherapie Letzigrund geht seit der Operation gut voran, „ich verspüre keine Schmerzen“. Der Zeithorizont der Verletzung könnte indes jenen der Corona-Krise überdauern. Oktober oder November sind perspektivisch geplant, um zurückzukehren in den Trainingsbetrieb der GC-Frauen, der hoffentlich dann auch tatsächlich wieder normal ablaufen kann.

Yllka Kadriu wurde im Frühling 2002 in einem kleinen kosovarischen Dorf auf serbischem Boden geboren. „Unsere Familie spricht albanisch, ich habe einzig den serbischen Pass“, sagt sie. Und seit ihrer Zeit in der Schweizer U-17-Auswahl auch den roten Pass der Schweiz. Sie war erst sechs Monate alt, als sie mit ihrer Mutter dem bereits in die Schweiz übergesiedelten Vater und dem älteren Bruder folgte. In Dübendorf begann Yllka mit dem Fussball – und schnell sprach sich ihre Begabung herum. 2013 schloss sie sich dem Nachwuchs des Grasshopper Club Zürich an. Dort spielte sie zunächst mit den Talenten der Jungs, im Jahr 2015 war sie mit einem Treffer im letzten Saisonspiel der U-14 gegen den FC Dielsdorf sogar in die nationale Auswahl zum „Coolest Goal of the year“ vorgestossen. Auch wenn sie das Voting damals nicht gewann, so war es doch ein erstes Signal, dass ihr Weg an die nationale Spitze führen könnte.

Es war damals ein Thema, dass sie das Ausbildungszentrum des SFV für Mädchen in Biel besuchen würde, sie bestritt auch die entsprechenden Probetrainings. Doch am Ende entschied sie sich gegen diesen Weg. „Ich bin sehr stark mit meiner Familie verbunden und ich konnte mir nicht vorstellen, die ganze Woche über von ihr getrennt zu sein.“

Der Sprung in die U-19

Im Frühjahr 2018 bestritt sie, deren jüngere Schwester Eliza bei den U-17-Frauen von GC spielt, erste Einsätze in der Schweizer U-16-Frauenauswahl, nach ihrer Einbürgerung folgte ein Jahr später die Elite-Runde der EM-Qualifikation mit der U-17. Dazwischen gab sie am 3. November 2018 bei einem 2:0-Heimsieg von GC gegen CS Chênois ihr Debüt in der Nationalliga A, in der sie seither über 20 Spiele bestritten hat. „Es macht grossen Spass, in der höchsten Schweizer Liga zu spielen. Als jüngste Spielerin wurde ich gut aufgenommen und konnte die Trainer kennenlernen, mit denen ich sehr schnell ein gutes Verständnis aufbauen konnte.“ Und ihre Beförderung in die U-19 im vergangenen Sommer empfand sie schlicht als „cool“. Die ersten Länderspiele gegen Finnland, die erfolgreiche erste Phase der EM-Qualifikation im Herbst. Dazu die Aufnahme in das Footura-Programm des SFV mit den entsprechenden Fortschritten insbesondere im Kräftigungsbereich, das alles lief wunderbar. Und wie gesagt, alles fühlte sich höchst vielversprechend für das Fussballjahr 2020.

Grosse Pläne kann sie nun, einige Monate später keine machen. Sie freut sich schon, wenn sie im Rahmen ihrer Therapie nun „die Bälle hochnehmen darf und ein wenig jonglieren kann“. Das entschädigt für die Entbehrungen in dieser Zeit, die noch eine Weile anhalten werden. Eine Neuerung in ihrem Leben wird es nach den Sommerferien geben. Nach den zwei schulischen Jahren in der United School of Zurich wird sie im August mit dem praktischen Teil ihrer kaufmännischen Ausbildung beginnen. Sie hat sich dazu bei der Gemeindeverwaltung in ihrem Wohnort Dübendorf beworben und wurde zu ihrer grossen Freude angenommen. Diese Situation also ist gelöst, den Rest wird die Zukunft ergeben.

Für sie wird es wichtig sein, nach überstandener Rehabilitationsphase den Anschluss ans Team wieder zu finden. „Ich möchte wieder in der NLA spielen können und auch den Einstieg ins U-19-Nationalteam wieder schaffen“, sagt sie, die mit Jahrgang 2002 eine zweite Saison und eine neue Chance für eine EM-Endrunde mit dem Nationalteam erleben darf. Ihren Traum, dereinst im Ausland spielen zu können – vorzugsweise in Deutschland oder England – den muss sie noch etwas vertagen. Aber Träume müssen auch in diesen schwierigen Zeiten mit besonderen Umständen erlaubt sein…

(das)