Lars Hunn: Harte Selektion

10.11.2018 00:00

Lars Hunn: Harte Selektion

Lars Hunn ist der einzige Schweizer Torhüter im aktuellen Footuro-Programm des SFV. Was nicht heisst, dass der vom FC Aarau derzeit an den Grasshopper Club Zürich ausgeliehene 19-Jährige allein auf weiter Flur stehen würde.

Es war der Abend des 10. Oktober, ein Testspiel im Lipo-Park von Schaffhausen. Die U-21 des Grasshopper Club Zürich ist zu Gast und mit ihr auch Torhüter Lars Hunn. Doch an diesem Abend verletzt sich der 19-jährige Keeper an den Innenbändern des Fussgelenkes. Bis Januar wird er ausfallen – es ist natürlich ein Rückschlag auf seinem Weg, der im Sommer mit der Ausleihe zu GC in eine etwas andere Richtung gelenkt worden war.

Hunn ist eines der Schweizer Torhütertalente. Genau genommen ist er jener Keeper, der innerhalb des Schweizerischen Fussballverbandes am höchsten eingestuft wird. Er ist der einzige Torhüter im Footuro-Programm der Technischen Abteilung, jener also mit den grössten Perspektiven. Einer, der wie seine Vorgänger Yann Sommer oder Yvon Mvogo einmal dort landen soll, wo jeder ambitionierte Fussballer in der Schweiz gerne landen möchte: im A-Nationalteam. Hunn hat die negativen Seiten der Verletzung bereits ausgeblendet. «Wenn es für eine Verletzung überhaupt ein gutes Timing gibt, ist die Phase jetzt sicherlich nicht die schlechteste. Mit der U-21 stehen nur noch wenige Spiele an, mit den Nationalteams ist keine EM-Qualifikation fällig – und ich kann mich so auf die Rehabilitation und die Therapie konzentrieren.»

Ein Zufall am Anfang

Die Geschichte von Lars Hunn ist eine spezielle. Er begann als kleiner Junge in seinem Wohnort Gränichen mit dem Fussball. Später wechselte er zum SC Seengen und löste dort seine erste offizielle Lizenz. Sein Vater war Juniorenobmann in Seengen, der Wechsel lag auf der Hand. Und er hatte etwas Schicksalhaftes. In Seengen spielte Roger Geissberger, der Vizepräsident des FC Aarau im Tor der Veteranen, als er seinem ebenfalls beim SC Seengen kickenden Sohn ein Probetraining in Aarau vermittelte. Als Lars Hunn davon erfuhr, meldete er sich auch an. Das war im Jahr 2010.

Bis dahin hatte er die Positionen gewechselt, spielte mal auf dem Feld, mal im Tor. Nun fanden die Verantwortlichen beim FC Aarau bei seinem Vorspielen Gefallen an seinen Fähigkeiten. Aber vor allem an jenen als Torhüter. So wurde er als Keeper übernommen für die U-12-Mannschaft und spielte danach die gesamte Nachwuchsabteilung durch. Bald schon wurden die Talentsichter des SFV auf Hunn aufmerksam, er wurde in die damalige Credit Suisse Football Academy in Emmen integriert, trainierte noch intensiver. Seit der U-15 spielt Lars Hunn für die Schweizer Auswahlen.

Zwei Tage in Hoffenheim

Im Sommer 2015 fiel er bei einem Turnier in Deutschland einem Scout der TSG Hoffenheim 1899 auf. Es kam zum Kontakt, Hunn reiste für zwei Tage nach Deutschland. Das Trainingszentrum, der Verein, alles sagte ihm zu, der Entschluss zum frühen Wechsel in die Nachwuchsakademie des Bundesligisten war eigentlich gefasst. Doch Hunn hatte ein Jahr zuvor seine Ausbildung zum Automatikmonteur begonnen, in Hoffenheim gab es keine ideale Lösung zur Fortsetzung der Lehre, und diese war den Eltern sehr wichtig. Am Ende passte es einfach nicht. «Natürlich war das sehr schade», sagt er nun mit dem Abstand von etwas mehr als drei Jahren, denn in Hoffenheim hätte er gute Voraussetzungen für seine weitere Entwicklung vorgefunden. Sogar Patrick Foletti, der oberste Torhütertrainer des SFV, hätte einem Wechsel etwas Positives abgewinnen können, weil die Goalieausbildung in Hoffenheim sehr hochwertig sei.

Danach ging es zurück nach Aarau, der Status des Spielers hatte sich mit dem Interesse aus der Bundesliga natürlich verändert. Er wurde mit 16 Jahren in den Trainingsbetrieb der ersten Mannschaft integriert, ein Jahr später mit seinem ersten Vertrag als professioneller Fussballer ausgestattet. Am 21. Mai 2017 machte er sein erstes Spiel in der Challenge League, bei der 2:3-Niederlage gegen Chiasso stand er im Tor. Noch immer war er Lehrling, musste seine Ausbildung mit den erhöhten Anforderungen im Fussball unter einen Hut bringen. In der Saison 2017/2018 blieb er die Nummer 2 hinter Steven Deana. Als sich dieser im Frühjahr 2018 am Oberschenkel verletzte, machte Hunn acht Spiele in Serie. Doch nach der Genesung des Stammkeepers musste er wieder ins zweite Glied zurücktreten.

Leihweise bei GC

Diese Konstellation war mit ein Grund, dass er nach Abschluss seiner Lehre im Sommer nach einer neuen Herausforderung Ausschau hielt. Der Grasshopper Club Zürich wollte ihn ausleihen, ins Training des Super-League-Teams integrieren und ihn in der U-21 Spielpraxis sammeln lassen. «Das war der absolut richtige Schritt», sagt Hunn nun mit einigen Wochen Erfahrung im neuen Umfeld. «Ich habe körperlich und mental auf diesem höheren Niveau enorm profitieren können.» Das beginnt bei ganz banalen Dingen wie einem Kraftraum im Trainingszentrum, der uneingeschränkt zur Verfügung steht.

Unter der Woche ist er vollumfänglich in den Trainingsprozess der ersten Mannschaft integriert, vor dem Wochenende bestreitet er die Abschlusseinheit mit der U-21, für die er dann auch aufläuft. Es erlaubt ihm, auch als Nummer 3 hinter Heinz Lindner und Mateo Matic regelmässig auf dem Niveau der 1. Liga aufzutreten, in Aarau spielt die zweite Mannschaft bloss auf Stufe 2. Liga regional. In Aarau hat sich Steven Deana mittlerweile am Handgelenk verletzt, Djordje Nikolic ist nachgerückt. Dass sich diese Situation so verändern würde, war nicht abzusehen und deshalb sagt Lars Hunn auch: «Ich bereue nichts und ich habe hier die Möglichkeit, mich als Nummer 3 in den Trainings zu zeigen und dem Trainer als junger Torhüter zu beweisen: Ich bin da.»

Traum Bayern München

GC hat sich eine Kaufoption in den Leih-vertrag schreiben lassen und Hunn kann sich sehr gut vorstellen, die Zeit auf dem Campus zu verlängern. «Ich bin in einer komfortablen Lage. Ist GC weiter an meinen Diensten interessiert, würde mich das sehr freuen. Wenn nicht, habe ich die Option, wieder in Aarau zu spielen.» Der Vertrag dort läuft noch bis zum Sommer 2020. Auch wenn er der damaligen Chance, zu einem Bundesliga-Verein zu wechseln, noch ganz fein nachtrauert, längst hat er sich auf die neue Ausgangslage in seiner Karriereplanung eingestellt. Heute sagt er: «Ich möchte mich zunächst hier in der Schweiz durchsetzen, auch wenn das nicht leicht werden wird.» Mit GC möchte er sich wieder den europäischen Wettbewerben annähern.

Wenn es um Träume für die weitere Zukunft geht, fällt umgehend der Name von Bayern München. «Das war schon immer mein bevorzugter Verein, Oliver Kahn war ein frühes Vorbild für mich.» Aber natürlich weiss er auch, dass dies mit grosser Wahrscheinlichkeit ein Traum bleiben wird. «Ich wäre schon froh, wenn sich meine Karriere irgendwann in Richtung Bundesliga bewegen könnte.»

Neun Keeper in der U20

Und natürlich möchte er sich auch in den nationalen Auswahlen weiterhin im Fokus halten. In der U-19 war er in der vergangenen Saison erste Wahl, in der U-20 wartet er – auch aufgrund seiner aktuellen Verletzung – noch auf die Premiere. Die U20-Nationalmannschaft listet übrigens aktuell gleich neun verschiedene Torhüter in ihrem Kader. Die Frontposition hat derzeit Anthony Racioppi inne, der bei Olympique Lyon ausgebildet wird, die vier bisherigen Spiele der Elite League durchspielte und zuletzt auch die Captainbinde trug. Zum aktuellen Torhüterangebot in dieser Altersklasse zählen zusätzlich Nino Ziswiler (FC Thun), Philipp Köhn (FC Schalke 04), Nico Krucker (FC St. Gallen), Loïc Jacot Gullarmod (FC Luzern), Gion Fadri Chande (FC Wil), Noah Berchtold (FC Sion) und Lars Schädeli (BSC Young Boys/FC Münsingen). Eine unglaubliche Auswahl, die zeigt, was es braucht, um sich am Ende an die Spitze setzen zu können.

(ds)