Nedim Bajrami: "Es muss alles stimmen"

31.01.2019 00:00

Nedim Bajrami: "Es muss alles stimmen"

Nedim Bajrami ist in jungen Jahren schon zur Stammkraft beim Grasshopper-Club Zürich und im Schweizer U-21-Nationalteam herangereift. Und der Mittelfeldspieler hat in seiner Karriere noch einiges vor.

Es ist der Tag vor dem Abflug ins Trainingslager des Grasshopper Club nach Belek. Nedim Bajrami hat noch einen Coiffeurtermin und bereitet sich an einem freien Tag auf die wichtige Woche in der Südtürkei vor. Das Trainingslager soll den Zürchern den letzten Schliff geben für eine Rückrunde, die unter nicht allzu einfachen Voraussetzungen in Angriff genommen wird. GC hat auf dem zweitletzten Rang überwintert und müsste unter seinem Trainer Thorsten Fink in dieser Konstellation am Saisonende in die Barrage mit dem Zweiten der Challenge League. «Das wollen wir vermeiden, es ist wichtig, schnell unsere Punkte zu holen und besser abzuschneiden als in der Vorrunde. Mit dem Abstieg wollen wir nichts zu tun haben», sagt Nedim Bajrami.

In den Top 20 Europas

Der junge Mann im zentralen Mittelfeld wird Ende Februar erst 20 Jahre alt – und doch hat er eine eindrückliche Bilanz vorzuweisen, was die Einsatzstatistik betrifft. Seit seiner Premiere am 4. Februar 2017, als er die Saison noch als U-18-Spieler begonnen hatte, steht er regelmässig auf den Platz. In der laufenden Saison wurde er in 17 von 18 möglichen Spielen eingesetzt. Damit schafft er es gemäss einer Erhebung des Portals «Transfermarkt» über die am meisten eingesetzten Teenager in den europäischen Ligen während der Vorrunde in die Top 20 – und befindet sich damit in prominentester Gesellschaft mit Toptalenten wie Jadon Sancho, Matthijs de Ligt oder Torhüter Gianluigi Donnarumma. Bajrami erklärt das ziemlich einfach: «Im Fussball spielt das Alter keine so grosse Rolle. Es geht darum, dass man die nötigen Qualitäten einbringen kann. Und wenn man einmal Stammspieler geworden ist, hat man mehr Selbstvertrauen und vieles geht einfacher.»

Trotzdem ist die Entwicklung des Mittelfeldspielers aussergewöhnlich. «In den letzten zwei Jahren ist bei Nedim Bajrami fast alles aufgegangen», stellt denn auch Heinz Moser fest. Der Ausbildner ist beim Schweizerischen Fussballverband Verantwortlicher des Projektes «Footuro», das Talenten im Schweizer Fussball mit der realistischen Perspektive in Richtung A-Nationalteam zusätzliche Förderung zukommen lässt. «Die Aufnahme in dieses Projekt zeigte mir, dass ich auf einem guten Weg bin», sagt Bajrami selbst.

Die lineare Entwicklung

Er ist einer, dessen Entwicklung bisher ziemlich linear verlaufen ist. Er ist seit der frühstmöglichen Stufe, der U-15, Schweizer Nationalspieler, er war oft Captain in den nationalen Auswahlen. Für die U-17 erzielte er in der EM-Qualifikationskampagne 2015/2016 gleich fünf Treffer, die U19 führte er als Spielführer – und nach seinem altersbedingten Ausscheiden aus dieser Auswahl schaffte er den direkten Anschluss an die U-21. Auch das ist ein Signal, dass hier einer heranwächst mit überdurchschnittlichem Potenzial.

Kein Wunder, haben sich mal wieder ausländische Interessenten gemeldet. Der prominenteste unter den interessierten Clubs: Juventus Turin. «Natürlich ist das etwas sehr  Schönes, wenn ein solcher Verein sich meldet. Aber es ist fast unmöglich, dass ich in einem solchen Verein den Durchbruch in die erste Mannschaft schaffen kann. Deshalb
wäre es nicht richtig gewesen, einen Wechsel vorzunehmen.» In Rücksprache mit der Familie wurde deshalb beschlossen, die Entwicklung in der Schweiz fortzusetzen und hier die nötigen Erfahrungen zu sammeln.

Bajrami denkt, dass ein junger Spieler sicherlich 70 bis 100 Spiele in der Super League gemacht haben muss, damit er reif wäre fürs Ausland. Die untere Grenze dieser Marke
dürfte er in der Rückrunde erreichen, dennoch ist er in Sachen Transfer betont und berechtigt zurückhaltend: «Es hängt immer davon ab, wie eine Saison läuft, es muss alles stimmen bei einem Transfer.» Man traut Bajrami durchaus zu, in dieser Hinsicht die richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt treffen zu können. «Mein Ziel ist die spanische Liga», sagt er, wichtig sei, dass er einen Club wählen kann, bei dem er zu Spielpraxis kommt, um dann – mit 23 bis 25 Jahren – bei entsprechender «Reifung» den nächsten Schritt machen zu können.

In dritter Generation

Nedim Bajrami vertritt in seiner Familie schon die dritte Generation. Sein Grossvater, zu dem er eine enge Beziehung pflegt, war einst in die Schweiz eingewandert. Die Familie wuchs in einfachen Verhältnisse in Regensdorf auf. Dort machte Nedim als Sechsjähriger auch seine ersten Schritte im Fussball, bei den F-Junioren, noch ohne formelle Lizenz. Nach einigen Monaten wurde er von Johannes Moos, einem Talentsichter des Grasshopper Club Zürich, für ein Probetraining eingeladen – und seit der U-8 spielt Bajrami nun für die Blau-Weissen. Er durchlief alle Jugendstufen. Mit der U-15 gewann er die Schweizer Ausscheidung des Nike Cup, mit der U-16 wurde er Schweizer Cup-Sieger. «Es sind Highlights, die man nie mehr vergisst.»

Als er seine Lehre als Fachmann Betriebsunterhalt abgeschlossen hatte, setzte er vollumfänglich auf die Karte Fussball. Der Aufwand lohnte sich, der Schritt in die erste Mannschaft gelang schon mit 18 Jahren. Die sportliche Entwicklung von GC war nicht nur positiv, GC wurde einmal Dritt- und einmal Zweitletzter. Bajrami erlebte in den nun zwei Jahren im Fanionteam vier verschiedene Trainer. Nach Pierluigi Tami, unter dem er noch debütierte, kam Carlos Bernegger, dann Murat Yakin, nun ist es Thorsten Fink. Die Richtung in der Tabelle hat sich noch nicht wirklich gedreht. Bajrami selbst war im vergangenen Frühjahr wegen eines Syndesmosebandrisses sieben Wochen ausgefallen,
er verpasste sechs Spiele, in denen GC gerade mal zwei Punkte holte.

Das Spiel vor sich

Im letzten Herbst war Nedim Bajrami einer der «Hauptdarsteller» in der SRF-Dokumentation «Morgen sind wir Champions». Gemeinsam mit vier Kollegen aus dem Footuro- Projekt wurde er fast zwei Jahre lang mit der Kamera begleitet. Es traf sich, dass dies gerade die beste Phase seiner Karriere war. «Es ist gut gelaufen», sagt denn auch Bajrami selbst. Im Februar 2017 hatte er seinen ersten Profivertrag bei GC unterzeichnet, schon im September darauf verlängerte der Verein vorzeitig und stattete sein Talent mit einem Kontrakt bis 2021 aus.

Bajrami ist ein klassischer «Sechser», der aber in seiner Spielart durchaus auch weiter vorne spielen kann. Unter Murat Yakin nahm er oft eine halbrechte, etwas offensivere Position ein, nun unter Thorsten Fink ist er wieder ganz im Zentrum zu Hause, seiner bevorzugten Stelle. «Die Finessen in der Positionierung sind nicht so wichtig, für mich ist vor allem bedeutend, dass ich das Spiel vor mir haben und Einfluss nehmen kann.» Sein Spiel zeichnet sich durch eine gute Übersicht, zielgenaue Pässe und eine gute Athletik aus. Gemeinsam mit seinem etwas mehr als einen Monat älteren Jugendfreund Petar Pusic gehört er auch in der laufenden Spielzeit zu den jüngsten Kaderspielern bei GC, die regelmässige Einsätze erhalten.

Ziele mit der U-21

Und auch in der Schweizer U-21-Nationalmannschaft kann sein Weg nach einer schwierigen Kampagne zur EM 2019 nun weitergehen. Trainer Mauro Lustrinelli bereitet sein Team in diesem Frühjahr mit zwei Testspielen gegen Kroatien und Italien auf die Herausforderungen der EM-Qualifikation 2021 vor. Diese beginnt in diesem Herbst und  hält als höchste Hürde die Auswahl Frankreichs bereit. «Es liegt an uns Spielern, die jetzt schon dabei waren, den jüngeren Akteuren zu zeigen, um was es geht. Und es ist klar, wir wollen uns diesmal qualifizieren, denn eine EM-Endrunde ist für alle Spieler eine wunderbare Gelegenheit, sich zu präsentieren.» Die Gruppe dürfe man nicht bloss auf Favorit Frankreich beschränken, die letzte Kampagne habe gezeigt, dass vor allem die Spiele gegen die Nationen mit weniger klangvollen Namen die wichtigen sein können.

Es wäre ein erster Schritt auf dem Weg zur Verwirklichung der grossen Ziele, die Bajrami im letzten November bei «Morgen sind wir Champions» formuliert hatte: «Ich möchte einmal in einem Final der Champions League stehen und mit dem Schweizer A-Nationalteam eine WM bestreiten.»

(Rotweiss/ds)