Yannick Marchand: Ein ruhiger Leader

20.11.2018 00:00

Yannick Marchand: Ein ruhiger Leader

Yannick Marchand ist einer der Schlüsselspieler im Schweizer U-19-Nationalteam, das sich gerne für die EM 2019 qualifizieren möchte. 2018 war für den 18-jährigen Mittelfeldspieler des FC Basel 1893 in einiger Hinsicht ein besonderes Jahr.

Als Yannick Marchand am 24. November im Heimspiel der U-21 des FC Basel 1893 in der zweiten Halbzeit für Captain Gilles Yapi eingewechselt wird, übernimmt er gleich dessen Binde und beendet die Partie beim 1:1 als Spielführer des Basler Nachwuchses. Es ist eine Rolle, an die er sich gewöhnen konnte in den vergangenen Jahren. Er wurde in der Juniorenabteilung des FCB Schweizer Meister der U-15, der U-16 und zuletzt auch zweimal mit der von Alex Frei trainierten U-18. Stets führte er diese Teams als Captain aufs Feld. «Ich muss nicht immer im Vordergrund stehen, bin ein ruhiger, auch ausgleichender Typ, der mit allen klar kommt. Mit der Leaderrolle als Captain versuche ich ganz einfach, dem Team zu helfen», sagt Marchand.

Er spielte in Basel schon beinahe alle zentralen Rollen, vom Innenverteidiger bis zur Nummer 10. Am wohlsten fühlt er sich an der Schaltstelle zwischen Offensive und Defensive, er kann dort seine Fähigkeiten am besten einbringen, ein Team ausbalancieren. «Ich habe eine gewisse Sicherheit und den Überblick, was mir hilft, ein Team auch in schwierigen Momenten zusammenzuhalten.» Dazu kommen seine Ruhe auch unter Druck, die Ballsicherheit und ein guter langer Ball, den er verbunden mit dem nötigen Spielverständnis auch zielgerichtet einsetzen kann.

Huggels spontane Antwort

Es sind Fähigkeiten, die nicht nur in Basel, sondern auch anderswo erkannt wurden. Beim Schweizerischen Fussballverband ist er in das Projekt «Footuro» eingebunden, ein Förderprogramm für Spieler, denen das Potenzial attestiert wird, es dereinst ins Kader des A-Nationalteams schaffen zu können. Beni Huggel, der ehemalige Nationalspieler und Fussballexperte beim Schweizer Fernsehen, antwortete jüngst in einem Interview mit der «Schweizer Illustrierten» auf die Frage, ob er denn ein kommendes Talent im Schweizer Fussball kennen würde: «Yannick Marchand.» Huggel weiss wohl, wovon er spricht, er trainierte den Mittelfeldspieler in jüngeren Jahren auf der Stufe U-14 beim FCB.

Mittlerweile ist Marchand zum jungen Erwachsenen gereift, der konsequent seinen Weg geht. Im letzten Frühjahr feierte er seinen 18. Geburtstag, kurz darauf absolvierte er bereits die Autoprüfung und unterzeichnete seinen ersten Profi-Vertrag beim FC Basel – für drei Jahre bis Juni 2021. «Das erfüllte mich mit extremem Stolz. Es ist eine grosse Ehre für mich, meinen Weg bei jenem Club weitergehen zu können, bei dem ich meine ganze Juniorenzeit verbrachte», so Marchand. Das Vertrauen des Clubs sei für ihn nicht das Zeichen, um nun ausruhen zu können, sondern ganz einfach zusätzliche Motivation. «Es zeigt mir, dass ich nahe am Punkt zur ersten Mannschaft angekommen bin, dass es aber noch immer viel Arbeit braucht.»

Ziel Endrunde 2019

2009 war er zum FC Basel 1893 gekommen. Ein Scout hatte ihn bei seinem Stammverein FC Aesch entdeckt, dort, wo einst auch Alex Frei und Marco Streller Juniorenjahre verbracht hatten. Weil er damals vom Alter her erst bei den F-Junioren des FCB hätte spielen sollen, wartete er noch ein Jahr mit dem Wechsel und stieg dann bei den U-10-Junioren ein. Seither geht es kontinuierlich nach oben. Über die Regionalauswahl des Fussballverbandes Nordwestschweiz empfiehlt er sich auch für die nationalen Auswahlen, ist seit der U-15 immer dabei.

Mit der U17 bestritt er 2017 die Elite-Runde der EM-Qualifikation in Schottland, nun steht mit der U-19 im Frühjahr dieselbe Stufe an. Im Oktober gelang der Auswahl von Heinz Moser die erstmalige Qualifikation für die zweite Phase seit drei Jahren. Marchand hat seinen Beitrag dazu geleistet, denn in diesem Team ging es nach einem 0:5 im Testspiel gegen Tschechien vor allem um die Wiedererlangung der Stabilität und Kompaktheit. «Es war ein Weckruf. Wir haben das Spiel gut analysiert und die richtigen Schlüsse gezogen. Und wir haben dann zwei Spiele zu Null abliefern können.» Die dritte Partie ging gegen Spanien zwar mit 1:2 verloren, doch die Schweizer U-19-Auswahl zeigte, dass sie das Potenzial hat für mehr. «Wir wollen ganz klar die Endrunde erreichen», formuliert Marchand ohne Umschweife das Ziel. Diese Endrunde findet vom 14. bis 27. Juli in Armenien statt.

Vorbereitung mit erster Mannschaft

«Aus den Einsätzen mit dem Nationalteam nimmt man viel mit, man trifft dort immer wieder auf die besten Spieler der Altersklasse», sagt Marchand. Im Sommer konnte er erstmals mit der ersten Mannschaft des FC Basel 1893 die Vorbereitung bestreiten; wie es nun im Winter aussieht, ist noch offen und liegt in den Händen von Cheftrainer Marcel Koller. «Ich fokussiere mich derzeit auf meine Aufgaben in der U-21», sagt er bloss. Und diese sind ebenfalls herausfordernd. Das Kader von Trainer Arjan Peço umfasst 32 Spieler, dazu kommen Akteure, die aus der ersten Mannschaft «nach unten» gegeben werden, um Einsatzzeit zu erhalten. «Es gibt keine fix gesetzten Spieler. Man muss seine Chancen dann nutzen, wenn man sie bekommt.»

Marchand brauchte ein bisschen Zeit, um sich an die gestiegenen physischen Anforderungen in der Promotion League anzupassen; er sagt auch, dass es vor allem der athletische Bereich sei, in dem er noch zulegen müsse. Er ist ein eher filigraner, spielerisch und technisch orientierter Spieler, durchaus zäh im Zweikampf, aber nicht von einem Körperbau, der alle anderen verdrängen würde.

Eine grosse Geste für Elias

Es gibt zu Yannick Marchand auch diese besondere Geschichte: In seinem Wohnort machte er Bekanntschaft mit dem schwer behinderten Elias. Auf Spaziergängen oder bei dessen Beobachtungen des Verkehrs von einer Bank aus traf man sich ab und an, winkte sich zu, es entstand eine spezielle Beziehung. Elias war leidenschaftlicher Fan des FC Basel, und Yannick Marchand fasste im Frühjahr einen eindrücklichen Entschluss. Mit der Unterzeichnung seines ersten Profivertrages stattete er Elias mit einer Jahreskarte des FC Basel 1893 aus, seine Eltern steuerten eine zusätzliche Karte für die jeweilige Begleitperson bei. Und so kommt Elias nun regelmässig in den Genuss von FCB-Fussball. Er war auch bei der U-19-EM-Qualifikation im Oktober in seinem Rollstuhl im Stadion – und als in der Partie gegen Andorra Yannick Marchand eingewechselt wurde, war die Nervosität und Vorfreude bei Elias riesig.

Yannick Marchand selbst bezeichnet sich als sehr zugänglichen Menschen. Er habe nie Probleme gehabt, Kontakte zu knüpfen und Freunde zu finden. Auch nicht in den Ferien. Als er einmal mit den Eltern – sein Vater Georges spielte einst beim regionalen Verein BCO Alemannia Fussball - auf Fuerteventura Urlaub machte, lernte er einen Fussballer kennen, der heute unter Urs Fischer bei Union Berlin in der 2. Bundesliga kickt. Der Kontakt hat bis heute angehalten, man besucht sich gegenseitig.

Noch ein Jahr Praktikum

Auf die beiden Länderspiele der U-19 im November im Süden Spaniens und Portugals gegen Dänemark verzichtete er. In der Sportklasse der WMS Reinach, in der er seine kaufmännische Ausbildung bestreitet, standen Abschlussprüfungen in Englisch und Französisch an, das ging vor. Die Ausbildung will Marchand unter allen Umständen beenden; im Februar beginnt der letzte Teil davon, ein Praktikum, das er bei Hofmann Automobile in seinem Wohnort Aesch absolvieren wird. Bis dahin wird er den Spagat zwischen Fussball und Ausbildung weiter bewältigen müssen. An die Doppelbelastung hat er sich gewöhnt, «es gibt Phasen, in denen es stressig ist, aber es gehört dazu, alles unter einen Hut zu bekommen.»

Seine Karriere will er «step by step» weiterentwickeln, mit diesem Denken sei er stets gut gefahren. Was ihn nicht daran hindert, an seinem Traum, dereinst das Debüt in der ersten Mannschaft des FC Basel 1893 geben zu dürfen und sich als Stammspieler in «seinem» Club etablieren zu können, festzuhalten.

(ds)